09.09.2013 Ausfahrt um 11:00 Uhr

Text: Bernd-Uwe Krause    Fotos: Anneke Polenski

„Um 11:00 Uhr fahren wir raus!“ Die freundliche Erinnerung meiner Frau unterbricht mich bei meiner Frühstückslektüre. „Wir müssen los.“ „Im Urlaub auf die Uhr schauen, mag ich ja überhaupt nicht!“, ist meine brummende Reaktion. Doch ich freue mich auf die Ausfahrt, also klappe ich schnell mein Buch zu, wir schnappen uns unsere Rucksäcke und wandern hinunter zum Hafen. Auf der Straße hinunter zum Hafenoffice von firmm wärmt uns die Morgensonne, die Palmen bewegen sich kaum in dem schwachen Wind und vom Kopf des Guzman el Bueno grüßt wie immer, eine Taube. Tarifa ohne Levante oder Poniente, das gibt’s auch.
Und dann sind wir endlich auf dem Schiff.

Was ist das heute für ein wunderbarer Tag? Der Himmel nur mit dünnen Schleierwolken bezogen, das Meer bewegt sich mit einer langen, weichen Dünung, die Briese, die  wir spüren, ist vor allen Dingen der Fahrtwind der Firmm-Spirit. Der Kapitän hat Kurs  Richtung Tanger genommenen. Ich sitze auf den Tampen vorne im Bug, gegen den dicken roten Fender gelehnt und schaut auf der Backbordseite hinüber zur afrikanischen Küste. Da ist er wieder, dieser beeindruckende Berg, wir nennen ihn den Zauberberg, weil er auf jeder Ausfahrt ein anderes Gesicht zeigte. Heute  ragt die beeindruckende Silhouette in das leuchtende Blau des Himmels, die Kuppe des Berges von einem Kranz kleiner weißer Wolken umgeben.

„Ich glaube die finden ja doch nichts“, eine mürrische Stimme holt mich aus meinen Träumen. „Wir sind ja schon mehr als eine halbe Stunde unterwegs. Und was ist? Nichts!“
Oh ne, denke ich, wieder mal so ein Nörgelfritze, ich schaue mich um und blicke in ein rotes, verkniffenes, vorwurfvolles Gesicht.

„Ist hier nun mal kein Aquarium,“ ich bemühe mich, freundlich zu bleiben, „aber Sie werden sehen, das wird noch was!“ „Hoffentlich“, blafft er zurück.

Ich schaute hinauf zu Katharina und Eduardo, die beide den Horizont absuchen und in diesem Moment miteinander sprechen. Dann geht alles ganz schnell. Eduardo gibt dem Kapitän ein paar Anweisungen, dieser ändert den Kurs nach Backbord und das Schiff nimmt Fahrt auf. Das ist ein gutes Zeichen. Vergnügt schaue ich hinunter auf die weiß schäumende Bugwelle. Kurz darauf kommt eine Durchsage von Katharina, dann wird das Boot langsamer. „Auf 11Uhr haben wir große Tümmler“.

Ich kneife die Augen zusammen, kann aber noch nichts erkennen. Mr. Ungeduld bohrt mir seinen Ellenbogen in die Rippen. „Das tut weh“ bemerke ich, „tut mir leid, dass ich hier auch auf dem Boot bin“. Er knurrt etwas, aber der Druck des Ellenbogens lässt nach. Jetzt kann ich mich wieder auf die Wasseroberfläche konzentrieren.

Hey, da sind sie!  Die Delfine haben Kurs auf unser Schiff genommen. Wir fahren jetzt ganz langsam. Der Kapitän wird  abwarten, in welche Richtung die Tiere weiter schwimmen. Ob sie wirklich hier her kommen? Und tatsächlich. Deutlich sind jetzt die Rückenfinnen der Tiere zu erkennen. Sie halten Kurs auf das Schiff, das jetzt ganz langsam fährt. Und dann sind sie überall. „Now we have Bottlenose-Dolphins all around the boat!“ Katharina's Ansage ist in dem Stimmengewirr auf dem Schiff kaum noch zu verstehen.

Delphin Fly Blue boat Delphin mit Kind

Verdammt, ich zerre an der Handschlaufe meiner Fotokamera. Doch die steckt in meiner Hosentasche fest. Ich besinne mich. Halt, jetzt mal keine Fotos, einfach nur gucken, was passiert. Ich beuge mich weit nach vorn über die Reling, da sind sie, mit geschwungenen, gleichmäßigen Bewegungen tauchen die Tiere vor dem Schiff  auf, lassen sich von der Bugwelle tragen, mein Blick wird gefangen von den unglaublich synchronen Bewegungen der Tiere, wie ein Tanz, der einer unhörbaren Melodie folgt.

Ich fühle die Freude in mir, lasse meinem Lachen freien Lauf. Die schräg von der Seite einfallenden Sonnenstrahlen umspielen  die Körper der Tiere mit  einem dauernden Lichtwechsel. So unglaublich viele unterschiedliche Blautöne, die aus den Bewegungen der Tiere entstehen.

Bauch an Bauch Delphin zeigt Bauch

In diesem Augenblick taucht ein Tiere aus dem tiefdunklen Blau neben dem Boot auf, durchbricht von dem Bug die Wasseroberfläche, schnellt aus dem Wasser, dreht sich in der Luft, so dass die weiße Bauchseite hell im Sonnenlicht leuchtet. Dann taucht der Delfin mit dem Kopf rückwärts in das Wasser zurück und wedelt beim Eintauchen mehrere Male mit der Fluke. Was war das! Ich kann es kaum fassenWährend ich noch versuche den Weg des Tieres im Wasser zu verfolgen, taucht plötzlich im Schatten des Bootrumpfes eine Gruppe von mehreren Tümmlern auf. Von drei Delfinen sehe ich den Rücken, eine Finne durchschneidet mit einer weißen Schaumspur die Wasseroberfläche, da dreht sich ein  weiterer Delfin auf die Seite, ich sehe deutlich die weiße Bauchfärbung, die beiden Seitenfluken sind wie zwei ausgebreitete Arme vom Körper abgespreizt. Und dann begegnen sich unsere Blicke. Ich möchte jubeln vor Freude, doch irgendetwas lässt mich plötzlich ganz still sein.

„Da, da, überall!“ Mr. Ungeduld rumpelte hinter mir und ist  nun aber total aus dem Häuschen. Na bitte, geht doch, denke ich, und wieder einmal haben es die Delfine gerichtet.

Delphinmama und Kind

Als wir auf der Rückfahrt sind, tauschten meine Frau und ich unsere Eindrücke aus. „Schade“, „davon ein paar Fotos, das wäre doch schön gewesen,“ sage ich zu ihr.
„Habe ich gemacht“ erwidert sie lachend.

Anneke, meine Frau

Bernd-Uwe Krause

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