Plastik Abfall im Ozean
von firmm Team
Text: Nina Bircher, Alicia Lipsky, Volontärinnen bei firmm; Fotos: Nina Bircher, Alicia Lipsky, Jörn Selling und aus dem Internet
Im März 2013 wurde an der andalusischen Küste ein toter Pottwal angeschwemmt. Im Magen des Tieres wurden 17 Kilo Plastikmüll gefunden, 59 verschiedene Plastikteile, darunter allein 30 Quadratmeter an dicken Plastikfolien aus der nahegelegenen Gewächshaus-Industrie sowie Gartenschläuche, kleine Blumentöpfe, Plastiktüten, einen Kleiderbügel und Teile einer Matratze. Als Todesursache wurde ein Magenriss aufgrund von Verschlucken von Plastik und Verhungern vermutet (6). Plastikmüll in den Ozeanen stellt für viele Meerestiere zunehmend eine ernsthafte Gefahr dar. Wir wollen mit diesem Blog einen kurzen Überblick zur Problematik geben.
Plastik und seine Verwendung
Plastik wird heutzutage für fast alles verwendet: Von der Verpackungs- bis zur Bauindustrie, dem Fahrzeugbau bis zur Medizin, in Sport und Freizeit, Elektronik, Landwirtschaft und vielen anderen Bereichen – überall kommt Plastik zum Einsatz (1). Die große Beliebtheit von Plastik erklärt sich durch seine zahlreichen günstigen Eigenschaften wie geringes Gewicht, Säureresistenz und Biegsamkeit (2). Letzterem verdankt das Material auch seinen Namen: Der Begriff Plastik ist abgeleitet von den griechischen Wörtern 'plastikos' (bereit zum formen) und 'plastos' (geformt) (1). Die Herstellung von Plastik ist außerdem sehr kostengünstig (2).
Plastik ist der Überbegriff für viele verschiedene Kunststoffe. Synthetische Kunststoffe werden aus Erdöl, Erdgas und Kohle gewonnen und bestehen aus langen Molekülketten, sogenannten Polymeren, die durch die Verkettung des immer gleichen Einzelbausteins (Monomer) entstehen. Rohbenzin (Naphta) ist dabei das am häufigsten verwendete Ausgangsmaterial (2), (3). Die chemischen Verbindungen sind sehr stabil und biologisch nicht abbaubar. Die am meisten produzierten Kunststofftypen, die sogenannten Massenkunststoffe, sind Polyethylen, Polypropylen, PVC, Polystyrol, PET und Polyurethan. Sie werden alle aus Erdöl hergestellt und machen rund 80% der europäischen Kunststoffproduktion aus (2). Zum Ausgangsmaterial Erdöl werden jeweils noch eine Vielzahl von Zusatzstoffen beigegeben, um dem Material gewünschte Eigenschaften zu verleihen – dazu gehören Weichmacher, Stabilisatoren, Farbmittel, Füllstoffe, Verstärkungsmittel, Flammschutzmittel oder Antistatikmittel. Viele davon sind gesundheitsgefährdend und nicht permanent im Plastik gebunden - sie entweichen mit der Zeit in die Umwelt (3).
Der Siegeszug des Plastiks begann in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als dessen massenhafter Gebrauch einsetzte: 1950 wurde weltweit ca. eine Million Tonnen Plastik hergestellt (1). Heute sind es bereits rund 250 Millionen Tonnen jährlich (2). Die jährlich pro Kopf verbrauchte Plastikmenge betrug in Nordamerika und Westeuropa im Jahr 2005 rund 100 kg und wird bis 2015 auf ca. 140 kg ansteigen. Rund 38 Prozent des Plastikverbrauchs in Europa gehen auf Verpackungsmaterial zurück, also auf Produkte, die schnell wieder im Müll landen. Falls nicht fachgerecht entsorgt, verschmutzt Plastikmüll die Umwelt über hunderte von Jahren, da er biologisch nicht abgebaut werden kann (4). Auch in Europa mit seiner relativ guten Abfallwirtschaft werden nur etwa ein Viertel der Kunststoffabfälle dem Recycling zugeführt (2).
Achtlos weggeworfener Plastikmüll gelangt sehr oft über Flüsse ins Meer. Gemäß Schätzungen gelangen weltweit jede Stunde etwa 675 Tonnen Müll in die Ozeane und etwa die Hälfte dieses Abfalls besteht aus Plastik (3). Unter der Einwirkung von Wellen, Wind und UV-Strahlung zersetzt sich Plastikmüll im Meer in kleinere Fragmente und wird mit den Meeresströmungen über weite Strecken bis in die entlegendsten Gebiete transportiert, beispielsweise in die Arktis und Antarktis. Auf Grund der globalen Meeresströmungen gibt es eine Tendenz zur Ansammlung von Plastikmüll in einigen subtropischen Konvergenzzonen, englisch: Gyres (4). Durch die Medien als „great pacific garbage patch“ oder „der siebte Kontinent“ bekannt geworden ist beispielsweise ein Gebiet im Nordpazifik mit einer hohen Konzentration an schwimmendem Plastikmüll (5). Diese Namen sind allerdings etwas irreführend, denn es handelt sich um Ansammlungen von unter der Wasseroberfläche treibenden, wolkenartigen Schwemmgut – meist in Form von sehr kleinen Partikeln - und nicht um Plastikteppiche, die an der Oberfläche oder von Satelliten aus zu sehen wären (4). An exponierten Stränden der inmitten des Nordpazifiks gelegenen Hawaii Inseln werden je nach Strömungslage große Mengen an Plastikmüll angeschwemmt: Auf dem als «Plastic Beach» bekannt gewordenen Kamilo Beach an der südwestlichen Spitze von Big Island findet man mehr Plastikpartikel als natürlichen Sand (5).
Diese enorme Verschmutzung der Ozeane und teilweise auch der groβen Binnengewässer (12) mit Plastik hat verheerende Folgen für das Leben im Wasser.
Auswirkungen der Plastik Verschmutzung
Am meisten leidet die Marine Tierwelt unter der übermäßigen Verschmutzung der Meere. Mindestens 270 verschiedene Tierarten sind vom Müll bedroht (der Bund). Sie verfangen sich im Abfall und ertrinken, ersticken, verhungern weil sie die Nahrung schlechter aufnehmen können oder sterben durch Erdrosselung oder in Folge von Verletzungen, die sich die Tiere beim Verfangen zuziehen. Vom Verfangen sind vor allem Seelöwen und Robben ganz stark betroffen. 58% aller Robben und Seelöwen Arten verfangen sich regelmäßig im Abfall und manche Populationen sind deswegen schon stark dezimiert worden (Greenpeace). Leider verlieren oder entsorgen immer wieder Fischer ihre Netze oder Einkammerfallen im Meer, welche dort weiterfischen obwohl sie gar nicht mehr in Gebrauch sind. Dieses Phänomen wird „Ghost fishing“ genannt und dabei werden große Mengen an Meeresorganismen eingefangen und stellen in manchen Zonen eine weitere ernsthafte Bedrohung für die Fischbestände dar.
Auch das Verschlucken ist für manche Meerestiere ein großes Problem. Das passiert häufig, weil die Tiere den Abfall mit ihrer Beute verwechseln, dabei wird vor allem Plastik verschluckt. Davon sind hauptsächlich Schildkröten, Vögel und Meeressäuger betroffen. Gefährlich wird es vor allem dann, wenn die Abfälle das Verdauungssystem blockieren und damit verhindern, dass echte Nahrung verdaut werden kann. Die Tiere verhungern dann obwohl sie einen vollen Magen haben (Greenpeace). So starb auch der Pottwal, der 2012 an der andalusischen Küste angeschwemmt wurde. Jedes Jahr sterben etwa 100‘000 Meeressäuger auf diese Weise. Bei den Seevögeln sind es sogar eine Million Tiere, die jedes Jahr sterben, weil sie Plastikteile mit Nahrung verwechseln (3). Ein kleiner Eindruck des Ausmaßes der Plastikproblematik zeigt dieser kurze Film: www.midwayfilm.com
Indirekt tangiert die Abfallverschmutzung aber auch andere Meerestiere und sogar uns Menschen. Plastik kann nicht biologisch abgebaut werden und zerfällt daher mechanisch oder durch die Einstrahlung von Sonnenlicht einfach in immer kleinere Teile. Dabei entstehen suspendierte Plastikpartikel wobei gleichzeitig auch toxische Stoffe freigesetzt werden. Mit toxischen Stoffen sind Zusatzstoffe aus dem Plastik gemeint wie Nonylphenol, Bisphenol A (BPA), Styrene Monomere oder Weichmacher (Phthalate) (UNEP Plastic Report). Phthalate wirken ähnlich wie Hormone und können deshalb das empfindliche Hormonsystem schädigen. Diese Giftstoffe werden von verschiedenen Organismen aufgenommen, gelangen so in die Nahrungskette, akkumulieren und werden schließlich auch vom Menschen aufgenommen (9). Die Gefahr, die von solchen Weichmacher ausgeht ist noch nicht restlos geklärt. Es könnte jedoch vor allem negative Einflüsse auf die Entwicklung von Kindern haben und zu Krebserkrankungen und Unfruchtbarkeit bei Männern führen (3).
Eine weitere Gefahr, die von kleinen Plastikteilchen ausgeht ist, dass giftige, nicht abbaubare Substanzen wie DDT, DDE, PCB oder andere POPs (Persistent Organic Pollutants) an die Oberfläche von Mikroplastik anhaften und auf diese Weise über die Nahrungskette akkumulieren können (8). Wie stark sich solche Gifte über die Nahrungskette akkumulieren zeigt sich auch darin, dass gestrandete Wale eigentlich als Sondermüll behandelt werden müssen(11).
Was tun wir Menschen?
Das ganze Abfall-Problem ist Menschen gemacht, das heißt, es liegt in unserer Verantwortung die Meere wieder zu säubern. Bisher haben wir uns jedoch ziemlich schwer getan unseren ganzen Müll aus dem Meer zu holen. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Ozeane größtenteils ein öffentliches Gut sind, sie gehören niemandem und gehören auch nicht einem bestimmten Land, weshalb sich niemand zuständig fühlt die Meere zu säubern. Es wäre mit hohen Kosten verbunden und es bräuchte entsprechende Infrastruktur an Land um den Abfall fachgerecht zu entsorgen bzw. zu recyceln. Es scheint, dass das Bewusstsein für die Abfallproblematik im Ozean noch zu klein ist und dass deshalb der Druck auf die Politik bisher nicht stark genug war. Somit sind auch keine effektiven internationalen Abkommen zur Beseitigung der Plastikinseln zustande gekommen. (9) Um das Plastikproblem in den Ozean zu lösen muss man einerseits dafür sorgen, dass kein neuer Abfall mehr ins Meer gelangt, aber auch versuchen, das Plastik aus dem Wasser wieder zu entfernen. Es existieren bereits beide Ansätze:
In den 1980er Jahren trat das internationale Abkommen MARPOL (International Convention for the Prevention of Pollution from ships) in Kraft, welches die Entsorgung von Plastik ins Meer von Schiffen verbietet. Das war bisher das weitest reichende internationale Abkommen, das von 122 Staaten ratifiziert wurde, aber leider hat sich die Abfallsituation trotzdem weiterhin verschlechtert. Das liegt daran, dass die Kontrolle in vielen Ländern nicht richtig funktioniert und außerdem stammen nur 20% des Abfalls im Ozean von Schiffen und 80% kommen von den Kontinenten, deshalb würden auch wenn MARPOL erfolgreich gewesen wäre noch große Mengen an Abfall in die Ozeane geraten. (7)
Sehr wichtig ist auch regelmäßig die Küsten zu reinigen, was zwar etwas frustrierend sein kann, da immer wieder neuer Müll an die Küsten angeschwemmt wird oder dort liegen gelassen wird. Aber jeder Einsatz zählt und könnte einem Tier das Leben retten. Die größte organisierte Küstenaufräum Aktion ist das ICC (International Coastal Cleanup), dass vom Ocean Conservancy koordiniert wird und seit 1986 regelmäßig Aufräumaktionen mit Hilfe von vielen Freiwilligen in 132 Ländern organisiert. (8)
Wir firmm Volontäre waren neugierig was man wohl so an den Stränden von Tarifa alles findet und haben unsere eigenen mini Coastal Cleanup Aktion organisiert. In nur 2 Stunden und auf weniger als 200m haben wir zu dritt 4 große Mülltüten mit Abfall gefüllt. Am Strand war alles zu finden von einem alten Bett, über eine Badewanne und Strandstühlen bis hin zu den allgegenwärtigen Plastikfaschen und Plastiksäcken. Wir haben auch achtlos weggeworfene Grills und ganze Schuhkollektionen, sowie Fischerleinen inklusive Hacken weggeräumt. Hier ein Einblick in unsere Abfallsammlung:
Zwischen 10-30% des Beifangs in Netzen von Fischern ist Plastikmüll. Leider ist der Platz an Bord von Fischerbooten häufig zu gering um den Abfall mitzunehmen, die Infrastruktur an Häfen ist nicht dazu ausgelegt, große Mengen an Müll aufzunehmen und normalerweise ist die Müllabgabe auch kostenpflichtig. Deswegen wird der Müll einfach wieder ins Meer zurück geworfen. NABU startete in Deutschland 2011 das Projekt „Fishing for Litter“ und stellt eine kostenlose Müllabgabe für Fischerboote an den Häfen bereit. Die Umweltorganisation KIMO ist bereits seit 2003 daran an mehreren Häfen in der EU kostenlose Infrastruktur für die Abgabe von Müll zu organisieren. (9)
Der 19-jähriger Student Boyan Slat arbeitet zurzeit an einem Projekt zur Reinigung der Ozeane. Sein Ziel ist es mit schwimmenden Sieben, die an strategischen Punkten im Ozean platziert werden, den Abfall raus zu fischen, ohne dass dabei organisches Material oder Lebewesen mitgefischt werden. Anschließend möchte er das Plastik recyceln. (10)
Es gibt also bereits Lösungsansätze, die bisher aber noch nicht wirklich viel bewirkt haben. In Zukunft sollten wir aber dafür sorgen, dass sich das ändert und dazu kann jeder von uns beitragen:
- Das beste was du machen kannst ist deinen eigenen Plastikverbrauch zu reduzieren:
- Besorg dir zum Beispiel eine coole Einkaufstasche und verwende sie immer wieder
- Wohnst du in der Schweiz? Mach mit beim Refiller-Projekt (www.refiller.ch). Ansonsten besorg dir einen Trinkbecher, den du immer wieder verwenden kannst
- Wenn du häufig Essen zum Mitnehmen kaufst, versuch deine eigene Lunch box immer dabei zu haben
- Koche mit frischen Zutaten und kaufe weniger verpackte Fertigprodukte
- Achte immer darauf deinen Abfall richtig zu entsorgen, damit er nicht in die Umwelt gelangen kann und trenne den Müll sorgfältig
- Plastik ist Gesprächsstoff: Mach andere Leute auf die Plastikproblematik aufmerksam, es ist sehr wichtig das Bewusstsein zu fördern
- Siehst du Abfall herumliegen, dann nimm ihn mit und entsorge ihn richtig.
Quellen:
1) Plasticseurope - Das ist Kunststoff
2) Plasticgarbageproject - Plastikproduktion
3) Bund für Umwelt und Naturschutz e.V (BUND) (2012). Achtung Plastik! - Chemikalien in Plastik gefährden Umwelt und Gesundheit. Berlin.
4) UNEP (2011). Plastic debris in the ocean. UNEP year book, 20-33 pp.
6) Pottwal aus dem Mittelmeer verendet an Plastikmüll
7) Greenpeace Plastic Ocean Report 2006
8) UNEP, 2009. Marine Litter: A Global Challenge. Nairobi: UNEP. 232 pp.