25. firmm-Treffen am 7. Dezember 2024

von firmm Team

Katharina Heyer und Prof. Patricia Holm

Text: Pia Ackermann, Fotos: firmm

Liegt es an der Faszination der Wale und Delfine? Ist es die Walfrau Katharina Heyer oder die familiäre Stimmung der firmm-Treffen, dass Menschen aus Deutschland, Österreich und der ganzen Schweiz selbst in der Weihnachtszeit nach Aarau reisen? Rund 150 Personen strömen in den Saal, um einen Abend lang abzutauchen, Walstimmen zu lauschen, Geschichten der Saison 2023 und 2024 aufzusaugen wie ein Schwamm und ihre Lieblinge, wenn auch nur auf Bildern, wiederzusehen.

Und da steht sie wieder auf der Bühne, die unverwüstliche Katharina Heyer, um mit gewohntem Charme und Routine durch den Abend zu führen. Sie begrüsst die Gäste, unter denen sich mit Edeltraud, David und Jaime auch einige ihrer Crew in Spanien befinden.

Sam Notz, Katharinas Sohn und firmm-Stiftungsrat, stellt das Programm des Abends vor. Im ersten Vortrag von Stiftungsrätin Prof. Dr. Patricia Holm geht es um die Kleinsten, die nicht nur die Grössten ernähren, sondern die Basis allen Lebens im Meer sind.

«Das Plankton in der Strasse von Gibraltar – die Grundlage allen Leben»

Als Plankton bezeichnet man alle Lebewesen im Wasser, die sich nicht selbst fortbewegen können. «Plankton» kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet «umherirrend». Strömung und Wind verfrachten die winzigen Organismen, die fürs Schweben perfekt gebaut sind. Es gibt zwei Gruppen: pflanzliches Plankton (Phytoplankton) und tierisches Plankton (Zooplankton). Unter dem Mikroskop offenbart sich ihre ganze, oft bizarre, fast ausserirdische Schönheit. Die Entdeckung vieler wunderbarer Formen bei den jährlichen Planktonforschungen in Tarifa haben Patricia zu diesem Vortrag motiviert.

Einige der Organismen sind ganz schön wehrhaft und schleudern Giftpfeile auf ihre Fressfeinde. Andere leuchten (Noctiluca), wiederum andere weisen mit Korallen verwandte sternförmige Strukturen auf (Radiolarien). Zum Zooplankton zählen auch Polypen und Quallen. Die gefährlichste unter den bei uns in der Strasse von Gibraltar vorkommenden Nesseltieren (Cnidarier), die Portugiesische Galeere, ist eine riesige quallenähnliche Polypenkolonie mit Tentakeln bis zu 50m Länge. Ihr für Fische tödliches Nesselgift fügt Menschen schmerzhafte Verletzungen zu.

Cnidarier, Vielborster, Ruderfusskrebse, Salpen … gut, dass unter den vielen beschriebenen Planktonarten ab und zu ein bekannter Name wie «Krill», «Schnecke» oder «Seestern» auftaucht. Aber es geht in diesem spannenden Vortrag auch nicht um eine Ordnung, sondern um das Verständnis für Plankton, das am untersten Ende der Nahrungskette steht. Am oberen Ende stehen die Wale, die sich teilweise von Krill ernähren. Die Grössten sind von den Kleinsten abhängig, aber auch umgekehrt: Die Wale sind Teil des grossen Kreislaufs und helfen die Nährstoffe vom Grund der Meere wieder an die Oberfläche zu bringen, wo die Photosynthese einsetzt und den Kreislauf am Leben hält. Alles ist miteinander verbunden. Es gibt noch so vieles zu erforschen!

das Foto des Jahres

Katharinas Rückblick 2024

2024 haben die «Spirit» und die «Vision» rund 27'000 Touristinnen und Touristen zu den Walen und Delfinen in die Meerenge gefahren. Damit liegen die Zahlen wieder auf dem Niveau der Jahre vor der Pandemie. Keine einzige Nullfahrt wurde 2024 verzeichnet, d.h. auf allen Touren wurde mindestens eine Gattung gesichtet.

Viel spannender als die Zahlen sind die tierischen Highlights, wofür Katharina wieder die schönsten Bilder ausgewählt hat. Beispielsweise vom diesjährigen Baby Tony oder von der Freisetzung der unechten Karettschildkröte, der die CECAM-Crew 11 kg Plastik aus dem Körper entfernt und sie wieder gesund gepflegt hatte. Oder vom genervten Pottwal, der sich mit Flossenschlägen gegen eine Gruppe Grindwale verteidigt, die sich gestört fühlten und dem Pottwal Kratzer und Bisswunden zufügten. In dem Getümmel gelang David das «Foto des Jahres», als der Pottwal kurzerhand einen Grindwal auf den Rücken lud.

Berührend und schmerzhaft zugleich ist die Filmsequenz, in der eine Delfinmutter ihr totes Baby wieder und wieder in die Luft schleudert, wie wenn sie es damit wieder zum Leben erwecken könnte. Die Bilder vom sterbenden Pottwal Julio, der am 26. Juli 2024 kurz vor der Entdeckung durch das firmm-Boot von der Schnellfähre überfahren worden war, erspart Katharina dem Publikum. Es bleibt zu hoffen, dass sein Tod durch die Beachtung in der Presse endlich zu Massnahmen führt.

Einzigartige Bilder der neuen Unterwasserkamera von drei schlafenden Pottwalen, von spielenden Orcas oder Drohnenaufnahmen durchziehender Finnwale stimmen versöhnlich und vertreiben die Schwere. Die Aufnahmen der drei schlafenden Pottwale sind eine kleine Sensation, weil man Pottwale selten schlafend antrifft. Und hier gleich drei! Toll, dass David so rasch reagiert hat und die Unterwasserkamera auf die drei gerichtet hat. Weitere aussergewöhnliche Fotos gelangen auch auf jener Fahrt, während der ein Pottwal plötzlich nah am Boot wie ein Torpedo aus dem Wasser schoss und platschend wieder eintauchte, wie es sonst die Buckelwale tun. Glücklich, wer diesen einzigartigen Moment erleben durfte!

Am 5.7.2024 liessen sich endlich die Orcas sehen. Zu den vom Aussterben bedrohten iberischen Orcas, zu denen auch die Barbate-Gruppe gehört, hat die Forscherin Ruth Esteban eine spannende Arbeit geschrieben, die auch für die IWC interessant sein könnte. Mehr zu den Orcas und ihren Interaktionen mit Segelbooten siehe weiter unten.

der Pottwal-Katalog

Porträt der Pottwale in der Strasse von Gibraltar

Per 1.1.2024 hat José Manuel Escobar Casado die Nachfolge von Jörn Selling als Meeresbiologe bei firmm angetreten. José ist seit sechs Jahren dabei und absolviert aktuell eine Weiterbildung zum Kapitän. In einem Video stellt er den Gästen seine Lieblingstiere vor: die Pottwale.

2023 zählte firmm so viele Pottwal-Sichtungen wie noch nie: 264, das sind fünfmal so viel wie im Vorjahr. 2024 zählten sie sogar über 400 Sichtungen! Die Auswertung von über 5000 Fotos zeigt, dass es jedoch nur ca. zwölf Pottwale sind, die sich regelmässig in der Strasse von Gibraltar aufhalten. Normalerweise werden einzelne männliche Wale gesichtet, die sich aber oft gruppieren. Pottwale sind friedvolle Tiere, die sich jeweils nur kurz an der Wasseroberfläche ausruhen, um danach wieder in die Tiefen des Meeres abzutauchen. Interaktionen mit verwandten Individuen verlaufen normalerweise sehr friedlich, wenn es sich nicht gerade um aufgescheuchte Grindwale handelt ... José will mehr Daten über den grössten aller Zahnwale sammeln, um die Forschung voranzutreiben.

Das firmm-Team der Saisons 2023/24

Nach der traditionellen Vorstellung des firmm-Stiftungsrats mit Sam Notz, Patricia Holm, Caroline Burger und Margrit Brack widmet Katharina den langjährigen, ehrenamtlichen Helfer/-innen und treuen Stützen von firmm ein paar Worte. Wer sie noch nicht alle kennt, findet ihre jeweilige Aufgabe in der Präsentation oder auf der Webseite.

In Tarifa ruht längst nicht mehr alles auf den Schultern von Katharina, was wohl nicht nur ihre Familie und engsten Freunde erleichtert. Nina und Oli leiten die Stiftung in Spanien, unterstützt von Brigitte, Christine, Barbara, Sevi, Edeltraud, Olga und dem übrigen Basis-Team in Tarifa. Christine ist neu die notariell beglaubigte Sekretärin von firmm Spanien. Neben José zählen auch die Kapitäne Daniel, Antonio und Eugenio, gefolgt von den Mechanikern David und Jaime sowie den Marineros Luis, Jairo und Cristian zu «Katharinas Männern». Jörn bleibt firmm aus der Ferne als freier Mitarbeiter erhalten.

Gestärkt wird das firmm-Team durch die jeweiligen Volontärinnen und Volontäre, die zum Teil Wiederholungstäter/-innen sind. Ohne sie wäre die wichtige Arbeit vor Ort nicht zu schaffen.

Première zweier Videos von Fabienne Kipfer und Nicole Agostini

«Es war immer mein Traum, die Orcas zu erleben» - nach der Lektüre von Katharinas Buch «Herzenssache» schickt Fabienne Kipfer Katharina kurzerhand eine Interviewanfrage. Ihr schwebt eine unvoreingenommene Reportage über das Phänomen der Orca-Angriffe auf Segelboote vor. Sie tut sich mit ihrer Kollegin Nicole Agostini zusammen, die ein Porträt über Katharina drehen möchte. Nach intensiver Überzeugungsarbeit bei ihrem Arbeitgeber Blue News reisen die beiden nach Tarifa. Vor Ort gelingen ihnen trotz einiger Hindernisse und langem Warten auf die Orcas zwei sehenswerte Filmbeiträge. Für die Orca-Angriffe der Barbate-Gruppe gibt es zahlreiche Theorien, aber kein genaues Wissen. Wichtig ist, dass die Menschen versuchen zu verstehen, was abläuft, und hinschauen. Dazu leistet Fabiennes Video mit seiner sorgfältigen und sachlichen Auseinandersetzung einen wertvollen Beitrag.

Auch Nicole gelingt in der Begleitung von Katharina ein schönes, sehr persönliches und achtsames Porträt über die inzwischen 82-Jährige. Viele Medien aus verschiedenen Ländern haben in den 27 Jahren.{{firmm}}-Geschichte über Katharina geschrieben oder sie mit der Kamera begleitet. Aber dieses Video ist nicht bloss das erste in Schweizer Mundart; es zeugt von Achtung, sich einlassen und Nähe.

Hier die zwei Videos:

Was ist bloss mit den Orcas los?

Das Meer ist ihr Zuhause

Dank und Abschied

Der Abend ist wieder einmal wie im Flug vergangen! Es folgen die Verdankungen: den Medien für die zahlreichen Berichte im laufenden Jahr, Katharinas Team und den Gästen des heutigen Abends. Am 16. Februar 2025 ist Tarifa Gastgeber für ein internationales Symposium über ORCAS; ein weiteres Symposium über Grindwale ist für 2026 geplant. Katharinas Dank gilt auch allen, die an diesem 25. firmm-Treffen mitgewirkt und tatkräftig mit angepackt haben. Das nächste Treffen dürfte in drei Jahren stattfinden, wenn die Stiftung firmm ihr 30-jähriges Jubiläum feiert. Bleibt zu wünschen, dass Katharina dann von verbesserten Lebensbedingungen und vom Wohlergehen der Wale und Delfine in der Strasse von Gibraltar berichten könnte.

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