21. firmm-Treffen am 16. Februar 2019 in Aarau

von firmm Team

Text: Andrea Stampfli; Fotos: Christine Schmid und Thomas Brückmann

Auch am diesjährigen 21. firmm-Treffen ist das Kongresszentrum in Aarau wieder voll besetzt: 280 Gäste aus dem In- und Ausland sind angereist, darunter auch einige Mitarbeiter/innen aus Spanien.

Nach der herzlichen Begrüßung durch firmm-Präsidentin Katharina Heyer, erläutert Samuel Notz den weiteren Ablauf des Abends. Er informiert auch darüber, dass sich die Stiftungsrätin Prof. Dr. Patricia Holm derzeit mit der „Polarstern” auf Antarktis-Expedition befindet. An ihrer Stelle ist ihr Sohn Fynn Holm gekommen, Master of Arts in History and Japanese Studies von der Universität Zürich.

Die Zukunft des japanischen Küstenwalfangs

Fynn Holm

Fynn Holm, M.A.

Der Historiker Fynn Holm gibt uns einen Einblick in die geschichtlichen und sachlichen Hintergründe des japanischen Walfangs. Ein aktuelles Thema, denn Japan hat für Juli 2019 den Austritt aus der IWC und die Wiedereinführung des Küstenwalfangs beschlossen. Wieso aber fängt Japan wieder mit dem kommerziellen Walfang an und welche Auswirkungen hat dies für die japanischen „Wal-Dörfer“?

Zu den Hintergründen: Küstenwalfang wird in Japan bereits seit 1570 betrieben. Als Anfang 1900 die Küsten leergefischt waren, stellte Japan den Walfang vorerst ein, begann dann aber mit Einführung des industriellen Walfangs 1906, auf offener See zu jagen. Während der Nahrungsmittelknappheit nach dem 2. Weltkrieg rettete der Walfang sogar vielen Menschen das Leben – daran erinnern sich allerdings nur noch wenige Ältere.

Ziel Japans war aber immer die Wiedereinführung des kommerziellen Walfangs.

Nachdem seit 1986 Großwale nur noch traditionell begründet oder zu Forschungszwecken gejagt werden dürfen, betreibt Japan „wissenschaftlichen“ Walfang innerhalb der Regeln der IWC, hält daneben aber die Jagd von Kleinwalen und Delfinen in vier japanischen „Wal-Dörfern“ aufrecht. Ziel Japans war aber immer die Wiedereinführung des kommerziellen Walfangs, wofür sich das Land in der IWC stark engagiert und dies mit der einzigartigen japanischen Walfleischkultur begründet. Allerdings besteht in Japan heutzutage kaum noch Nachfrage nach Walfleisch.

Vergleicht man Walfang mit Whale-Watching in Japan, sprechen die Zahlen eine eindeutige Sprache. Auf der einen Seite gibt es gerade einmal 40 Küstenwalfänger und 200 Antarktiswalfänger, die mit umgerechnet 10 Mio. Franken pro Jahr subventioniert werden. Eine Zukunft ohne Subventionen (mit denen der wissenschaftliche Walfang finanziert wurde) ist ungewiss – die Ausrüstung ist veraltet, es gibt keinen Nachwuchs in dieser Branche und die Industrie ist zu klein zum Überleben. Auf der anderen Seite arbeiten über 200 Whale-Watching-Firmen an 30 Orten, die beispielsweise 2008 mit 190.000 Besuchern einen Jahresumsatz von umgerechnet 23 Mio. Franken generierten.

Viele Japaner empfinden die Hetze gegen japanischen Walfang als reine Schikane.

Wieso tritt Japan gerade jetzt aus der IWC aus? Über 30 Jahre lang habe man vergeblich einen Kompromiss mit der IWC gesucht. Ein Austritt bedeutet, dass Japan dann wieder Zwergwale jagen darf, die das beste Fleisch liefern, aber aufgrund ihrer Zuteilung zur Gruppe der Großwale nicht kommerziell bejagt werden konnten. Hinzu kommt, dass Japans Antarktisflotte sehr alt ist, eine Erneuerung aber viel zu teuer kommen würde – wissenschaftlicher Walfang ist nicht lukrativ genug. Küstenwalfang hingegen genießt in Japan mehr Sympathien.

Zwar gab es auch unter den Japanern schon immer Anti-Walfangbewegungen, doch empfinden inzwischen viele Japaner das Walfangverbot und die Hetze gegen den japanischen Walfang („Japan Bashing“) als reine Schikane. So hat sich nun eine Anti-Anti-Walfang-Bewegung gebildet – Menschen, die eigentlich gegen Walfang sind, setzen sich für dessen Legalisierung ein, weil man die ständigen Bevormundungen aus dem Ausland leid ist. Auch ein weiteres Argument ist sehr bedenklich: Der Austritt wird unter anderem damit begründet, dass Amerika und England ebenfalls aus internationalen Abkommen austreten (TTIP, Brexit etc.). Somit ist der Austritt Japans aus der IWC vor allem politisch motiviert und auch auf das sehr schlechte politische Klima weltweit zurückzuführen.

Welche aktuellen Themen haben firmm 2018 beschäftigt?

Jörn Selling

Jörn Selling, Meeresbiologe von firmm aus Tarifa

Jörn beginnt mit der Anmerkung, dass ihm aus dem Vortrag seines Vorredners besonders die Aussage gefiel, dass der Walfang der Japaner wirtschaftlich nicht tragbar sei.

SABA-Projekt

Dann knüpft Jörn an seinen Vortrag vom letzten Jahr an – über die Bucht von Algeciras und das SABA (System zum Festmachen von Schiffen in der Bucht von Gibraltar). Nochmals betont er die Wichtigkeit der großen Biodiversität in der Bucht von Algeciras: Insbesondere Seegrasteppiche sind die beste Art, das Klima zu schützen, da Seegras das Klimagas Kohlendioxid bindet. Doch die Anker der großen Schiffe zerstören den Boden und die Seegraswiesen. Wie Jörn bereits am letzten firmm-Treffen ausführlich erklärt hatte, gäbe es Methoden, diese Schäden zu vermeiden – so zum Beispiel die sogenannte australische Schraube oder feste Betonklötze, an denen Schiffe über Bojen festgemacht werden können. Bei der Raffinerie und der Miesmuschelbucht sind bereits einige solcher Ankerblöcke in Einsatz. Dort könnte man sehen, wie sich das Seegras erholt.

Mit Unterwasserbildern könnte mehr Druck auf die Hafenbehörden ausgeübt werden.

Schon im letzten Jahr entstand die Idee, die Problematik anzugehen. Dafür müsste man aber mit Unterwasserbildern den genauen Zustand des Meeresbodens dokumentieren. European Sea Ports Organisation und EcoPorts erheben in regelmäßigen Abständen die top Umwelt-Prioritäten der Hafenbehörden in Europa. Mit entsprechenden Bildern könnten diese Organisationen Druck auf die Hafenbehörde ausüben. Jörn hat bezüglich der Dokumentation bereits mehrere Unternehmen angeschrieben, diese konnten jedoch nicht helfen oder haben noch nicht geantwortet. Eine weitere Lösung wäre ein eigener Tauchroboter, der etwa 1.800 Euro kosten würde. Dieser hat eine maximale Tauchtiefe von 100 Metern und kann bis zu 4 Stunden Film in 4K aufnehmen. Jörn befürwortet eher den Kauf des Geräts, da eine Firma sicher teurer wäre.

Orcas und Grindwale

Im zweiten Teil seines Vortrags widmet sich Jörn einem Thema, über das er am liebsten redet: die Tiere. Es geht um die Beurteilung des vieldeutigen Verhältnisses zwischen Orcas und Grindwalen. Ob die Orcas wirklich die Grindwale vertreiben, ist schwer zu beantworten, da dies nicht direkt beobachtet werden kann. Doch sobald die Grindwale aus der Meerenge verschwunden sind, melden die Fischer Orca-Sichtungen. Erst einige Tage später kehren die Grindwale wieder zurück in die Straße, nachdem sie sich zuvor weit ins Mittelmeer zurückgezogen haben.

Gut beobachtet werden kann hingegen, wie die Grindwale die Orcas später regelrecht aus der Straße von Gibraltar verjagen. Der Abstand zwischen den Tieren ist dann relativ gering, weshalb dieses Verhalten besser dokumentiert werden kann.

Bekannt ist, dass es rund um den Globus verschiedene Gruppen von Orcas gibt. Es sind zum einen diejenigen welche hauptsächlich Fleisch fressen und Säugetiere jagen, sie sind leise Jäger. Zum anderen gibt es die reinen Fischfresser; sie kommunizieren meist laut, da die Fische ja sowieso kaum hören. Dann gibt es aber auch noch die Opportunisten unter den Orcas, welche sich der jeweiligen Situation anpassen und sowohl Fisch als auch Fleisch konsumieren. Die Frage ist also, ob die Orcas der Straße von Gibraltar nur Fisch fressen oder ob die Grindwale Angst vor ihnen haben müssen.

Fressen „unsere“ Orcas nur Fisch oder könnten sie den Grindwalen gefährlich werden?

Um dies besser einschätzen zu können, erhebt firmm auf jeder Ausfahrt Daten, welche Jörn uns nun in seinen Statistiken präsentiert. Fest steht, dass 2018 kein gutes Orca-Jahr war. Wann die Orcas sich in der Straße befinden, hängt von den Fischern ab. Früher gab es keine Quotenregelung. Die Fischer sind ab Mai rausgefahren und dies so lange bis es keine Thunfische mehr gab. 2007 wurde dann eine Fangquote eingeführt, seitdem beginnen die Fischer erst ab Juni. Auch die Orcas sind nun erst ab Juni da, bleiben dann aber bis zum Herbst. Während dieser Zeit sind die Grindwale gewöhnlich in größeren Gruppen unterwegs. So können sie sich besser verteidigen. In den letzten Jahren wurden jedoch immer kleinere Grindwal-Gruppen beobachtet. Das Warum muss in Zukunft genauer untersucht werden. Eventuell liegt es daran, dass die Orcas nun länger in der Meerenge sind und sich die Grindwale vermehrt ins Mittelmeer zurückziehen.

Frage zu Thunfisch-Fang aus dem Publikum

Zum Schluss kommt aus dem Publikum noch eine Frage auf, dass von den Fischern kaum noch große Thunfische gefangen werden und ob sich diesbezüglich etwas tun würde. Jörn sagt, dass die Quoteneinführung grundsätzlich gut sei und dass es Überlegungen gibt, den kleinen Leinen-Fischern höhere Quoten zuzugestehen. Diese Art zu fischen ist nachhaltig und auch gut für die Orcas. Außerdem versucht man den Fischern immer wieder klarzumachen, dass der Schutz der Thunfische auch gewährleistet, dass ihre Enkel auch noch Thunfische fangen können. Ein weiteres Problem ist, dass viele Fischer glauben, der Thunfisch würde ihnen anderen Fisch wegfressen – die Fangerfolge für heimischen Fisch sind nämlich stark rückläufig. Doch der Thunfisch ist schon immer hier durchgezogen, was nie ein Problem für die Fischbestände war.

Es bleibt zu hoffen, dass die Quotenregelung langfristig Erfolge zeigt, sodass sich die Thunfischbestände erholen können und wieder ältere und größere Tiere durch die Straße ziehen.

Relaunch www.firmm.org

Heike Pahlow und Mario Müller

Heike Pahlow und Mario Müller

Heike und Mario haben die Webseite von firmm kreiert und betreuen diese bereits seit 20 Jahren unentgeltlich. Im vergangenen Jahr haben die beiden zusammen mit dem firmm-Team die gesamte Seite inhaltlich und technisch auf den neuesten Stand gebracht.

Wie Heike erklärt, wurde die neue Startseite vor allem für Besucher optimiert, die schnell eine Ausfahrt buchen wollen. Diese landen in der Regel auf der Startseite und sollten hier sofort finden, wonach sie suchen. Wer sich für Details interessiert, bringt hingegen mehr Zeit mit und ist bereit, auch die Unterseiten zu durchstöbern.

Weitere wichtige Aspekte bei der Gestaltung der Webseite verdeutlicht uns Mario anhand von einigen Beispielen, so unter anderem, dass Farbfehlsichtigkeiten berücksichtigt werden und dass sich Sehbehinderte Textbeschreibungen zu den Bildern vorlesen lassen können. Zu Zeiten des Smartphones spielen auch kurze Ladezeiten der Seiten eine Rolle: Bei Google Page Speed hat die neue firmm-Seite nun maximale 100 % erreicht! Um die Nutzbarkeit weiterhin zu verbessern, freut sich Mario über Anregungen und Verbesserungsvorschläge.

Was neu auf der Webseite ist, präsentiert uns Heike. Insgesamt gibt es etwa 3× so viele Inhalte wie früher: Die Artenbeschreibungen der Wale und Delfine wurden ausgebaut und der Bereich Forschung wurde komplett überarbeitet. Es wurden Richtlinien + häufige Fragen (FAQ) zum Whale-Watching hinzugefügt. Es gibt Informationen zu Katharina Heyer, dem Stiftungsrat und den Mitarbeitern von firmm sowie Wissenswertes über Tarifa und Umgebung. Heike dankt an dieser Stelle allen für die Mithilfe, insbesondere Jörn, welcher mehr als 50 % der Daten und Texte für die Homepage beigesteuert hat.

Mario zeigt nun, wie wichtig es war, die Webseite auch für Mobilgeräte zu optimieren, schließlich kommen durchschnittlich 58 Prozent mit dem Smartphone auf die firmm-Seite. Der Aufbau der neuen Webseite passt sich jetzt an die Größe der Endgeräte an.

Zum Schluss stellt Heike noch einige ihrer „Spielereien“ vor: Kurze Videos, mit denen man Regeln fürs Whale-Watching erklären oder auch Quizfragen kreieren kann.

Stiftungsrat, Mitarbeiter und Volontäre der Saison 2018

Katharina Heyer

Katharina stellt den Stiftungsrat sowie alle Mitarbeiter/innen und Volontär/innen vor. Sie bedankt sich bei ihnen und allen, die zum Gelingen einer erfolgreichen Saison 2018 beigetragen haben.

„Tag eines Volontärs bei firmm

Sketch von Annette Dohms und Daniel Ihly

Annette und Daniel lockern den Abend mit ihrem unterhaltsamen und sehr amüsanten Sketch auf. Leicht überspitzt spielen sie Situationen aus dem Alltag der firmm-Volontäre, die es gelegentlich auch mal mit etwas „speziellen Touristen“ zu tun bekommen. Es wird viel geschmunzelt, gelacht und natürlich applaudiert!

Aus der Sicht unseres Stiftungsrates

Samuel Notz

Samuel Notz

Nach der Pause stellt Samuel Zweck und Ziel der Stiftung firmm vor: eine Begegnungsstätte zwischen Mensch und Tier zu schaffen, nach dem Motto „Nur was wir kennen und lieben, das schützen wir auch.“

Zum einen ist da das Element des Schutzes und der Prävention: das Vermitteln von Wissen über die Straße von Gibraltar und ihre Meeresbewohner und die Möglichkeit, dass sich Mensch und Wal auf Augenhöhe respektvoll begegnen. Die stattfindende Kommunikation zwischen Mensch und Wal führt immer wieder zu eindrücklichen und emotionalen Erlebnissen.

Zum anderen das Element der Forschung: Das Erheben von Daten hilft, Verletzungsquellen und andere Gefahren zu erkennen. Die Daten geben außerdem Input für Vorträge an Schulen und Veranstaltungen und können via Prof. Dr. Patricia Holm auch an der Universität verwendet werden. Der Ehrendoktortitel, welcher Katharina von der Universität Basel verliehen wurde, ist Folge und Würdigung der jahrelangen Arbeit und des Einsatzes.

Mit firmm-education finden Schüler, Studenten und angehende Biologen eine Plattform zur Information und zum Veröffentlichen eigener Arbeiten.

Die Stiftung finanziert sich ausschließlich aus den Einnahmen der Ausfahrten und über Spendengelder, wofür Samuel herzlich dankt!

Rückblick auf die Saison 2018

Vortrag von Katharina Heyer

Katharina Heyer

Katharina erläutert ihren Gästen zunächst nochmals den genauen und speziellen Standort sowie einige Errungenschaften von firmm. Einer der größten Erfolge war, dass firmm dank der gesammelten Daten eine neue Fährverbindung Richtung Tanger verhindern konnte, die direkt durch das hauptsächliche Aufenthaltsgebiet der Tiere geführt hätte.

Dann berichtet Katharina über das Jahr 2018: Es fanden 460 Ausfahrten mit insgesamt 31.090 Touristen statt; an 75 Tagen konnte wegen des Wetters nicht gefahren werden. In 1.600 Charlas wurde Wissen über die Meerenge, Tiere und Umweltfragen an die Gäste weitergegeben. Auch für eine Schule in Tarifa gab es wieder Vorträge und eine Ausfahrt.

In einem Kurzfilm sehen wir, wie eine Ausfahrt bei firmm abläuft. Danach präsentiert Katharina die Sichtungszahlen der Tiere und zeigt zu allen in der Meerenge vorkommenden Wal- und Delfinarten Kurzfilme mit wunderbaren Sequenzen. Sie erzählt aber auch über nicht so schöne Momente; etwa vom Schicksal des Grindwalweibchens Lola, die mit einem Sender an der Finne versehen wurde, woraufhin sich die Finne stark entzündete. Wir hoffen alle, dass die schlimme Verletzung über den Winter gut heilen kann und dass es Lola besser geht, wenn wir sie hoffentlich dieses Jahr wiedersehen.

Katharina zeigt auch Filme von den Kursteilnehmern Sonja und Nina sowie Raffael und Sara. Und zum Abschluss sehen wir noch ein Video, auf dem das Orca-Männchen Camorro einen gefangenen Thunfisch mit der ganzen Familie teilt – jeder darf mitfressen. Dies zeigt einmal mehr wie sozial und intelligent diese Tiere sind. Außerdem ist noch zu erwähnen, dass die Orcas ein neugeborenes Baby dabei hatten, das auf den Namen "Tina" getauft wurde.

Mit Erwähnung der Medien, die im vergangenen Jahr über firmm berichtet haben, und Danksagung an alle Unterstützer von firmm endet das 21. firmm-Treffen. Aber natürlich nicht, ohne den Termin für das nächste Treffen zu verkünden.

Das 22. firmm-Treffen findet am 22.02.2020 statt.

Seien auch Sie wieder dabei! Wir freuen uns auf ein Wiedersehen.

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