Ein seltener Gast

von firmm Team

Text: Brigitte, Foto: firmm, Zeichnung: wale.info

Heute möchten wir einem raren Gast einen Blogbeitrag widmen.

Am 19. Juli um 20.35 auf der letzten Ausfahrt des Tages hatten wir das seltene Glück einen Zwergwal (Balaenoptera acutorostrata) zu sehen. Das passiert hier in der Straße von Gibraltar nicht allzu häufig. Genauer gesagt, bis jetzt nur 27-mal seit dem 25-jährigen Bestehen von firmm.
In manchen Jahren sahen wir gar kein Tier dieser Art, manchmal eines und nur in einem Jahr besuchten sie uns 4-mal (2003) und in drei Jahren 3-mal (2013, 2014 und 2018). Immer schwammen sie in westlicher Richtung, außer 2-mal in östlicher, 1-mal in südöstlicher und 6-mal gibt es zur Richtung keine Angabe. Einmal kehrte ein Zwergwal auf seinem Weg Richtung Atlantik kurz um und schwamm eine halbe Meile Richtung Mittelmeer, um dann wieder eine 180° Wendung zu machen und seinen Weg nach Westen fortzusetzen. Zwerg- und Finnwale ernähren sich nicht in der Straße von Gibraltar, wir sehen sie nur auf der Durchreise.

Der Minkwal, wie er auch genannt wird, kann eine Größe von 8-10 Metern und ein Gewicht von 10 Tonnen erreichen. Sein Körper ist schlank mit einem spitz zulaufenden Kopf.

Er hat einen dunkel gefärbten Rücken und einen hellen Bauch. Bei der Geburt ist er 2,8-3,5 Meter lang und wiegt 450 kg, er kann 60 Jahre alt werden. Charakteristisch sind die zwei weißen Bänder um die Flipper (Brustflossen) der nördlichen Zwergwale (Balaenoptera acutorostrata), an denen man sie identifizieren könnte, die aber selten an der Wasseroberfläche zu sehen sind. Der südliche Zwergwal (Balaenoptera bonaerensis) weist keinen solchen weißen Streifen auf.

Minkwal im Oktober 2015

Auf dem Meer kann er leicht mit einem jungen Finnwal verwechselt werden (zum Vergleich: ein Finnwal kann bis 22 Meter lang werden, also mehr als doppelt so groß wie der Zwergwal. Die Geburtsmaße eines Finnwals liegen bei 6,5 Metern und 1,5 Tonnen). Bei der Bestimmung der Arten auf dem Ozean ist die Länge ein guter Anhaltspunkt, denn ein junger Finnwal schwimmt gewöhnlich nicht allein. Daher liegt bei dieser Größe erst mal die Vermutung nahe, dass es sich um einen Zwergwal handelt. Außerdem zeigt der Zwergwal beim Auftauchen manchmal seine "Nase", was der Finnwal nicht tut. Die Scheitellinie seines Oberkiefers ist zudem schärfer als die des Finnwals.
Das von uns beobachtete Tier schwamm nicht in gerader Linie, sondern war eher unruhig und änderte den Kurs häufig. Das machte es für uns umso schwieriger, ihn wieder zu finden, nachdem er jeweils für einige Minuten abgetaucht war. (Minkwale können mindestens 15 Minuten lang tauchen, in der Regel kommen sie alle 6 bis 12 Minuten an die Oberfläche.)

Er ist der kleinste der Furchenwale. Die Furchenwale sind eine Familie der Bartenwale (die anderen sind die Glattwale, die Grauwale und die Zwergglattwale, wobei die beiden letzteren nur aus einer einzigen Art bestehen.) Je nach Art haben sie 10-100 Kehlfalten (Furchen), die 2.5-5 cm tief sind und ihnen dabei helfen viel Wasser mit Nahrung im Kehlsack aufzunehmen. Was sie von den Zahnwalen unterscheidet, ist, dass sie keine Zähne, sondern Barten haben, die vom Oberkiefer hängen und wie ein Filter funktionieren, und zwei Blaslöcher mittig auf dem Kopf haben. Im Gegensatz haben Zahnwale nur ein Blasloch. (Zwergwale haben 230 bis 360 kurze, weiß/cremefarbene Bartenplatten auf jeder Seite des Mauls und 50 bis 70 Kehlfalten. Der Blas von einem Minkwal ist buschig und zwischen 2 und 3 Metern hoch. (Quelle: NOAA)

Laut Marc Carwardines Buch (Whale Watching in Britain and Europe) ist der Zwergwal der von kommerziellen Walfängern in Norwegen, Island und Japan am meisten gejagte Bartenwal.
In der diesjährigen Walfangsaison wurde die Zahl dieser Wale, die getötet werden dürfen, in Norwegen auf 1000 erhöht, Japan hat sich auf 167 festgelegt und Island auf 217. Die gute Nachricht ist, dass Island diese geltenden Fangquoten nicht mehr verlängert und ab 2024 den Walfang vollständig beenden will.

Laut der IUCN (International Union for Conservation of Nature - Internationale Vereinigung zum Schutz von Natur und natürlichen Ressourcen) ist der aktuelle Gefährdungs-Status des Zwergwales «Least Concern», also nicht gefährdet. Die Entwicklung der Population wird als unbekannt angegeben und die Anzahl der ausgewachsenen Individuen auf der Welt wird auf 200.000 geschätzt.

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