Ein Nachmittag mit unerwarteten Begegnungen
von firmm Team
Text: Ulrike Richter, Fotos: firmm
Am 24. April konnten wir nach ziemlich windigen Tagen endlich wieder in die Straße von Gibraltar fahren, und alle Leute an Bord der firmm-Spirit waren sehr gespannt auf die Begegnungen mit den Delfinen und Walen.
Nach dem Passieren der Hauptfahrrinne für die Containerschiffe sind uns gleich einige Große Tümmler begegnet. Unter ihnen war auch ein recht auffälliger Delfin mit einem weißen Fleck an der Spitze seiner Rückenflosse.
Nachdem sich die erste Aufregung an Bord gelegt hatte, fuhren wir weiter und trafen nur 10 Minuten später auf 6 Grindwale mit 2 Kälbern. Die Gäste zückten ihre Kameras und fotografierten begeistert die schönen Tiere, die sich gemütlich an der Wasseroberfläche aufhielten und durch ihre langsamen Bewegungen ideale Fotomotive boten. Natürlich wartete jeder sehnsüchtig auf ein Auftauchen der süßen kleinen Grindwalbabies, die immer dicht bei ihren Müttern schwammen und regelmässig zum Luftholen ihre kleinen hellgrauen Köpfchen aus dem Wasser streckten.
Dass das alles aber nur der Auftakt weiterer – ganz unerwarteter – Begegnungen sein sollte, konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen!
5 Minuten später sahen wir weitere Grindwalfamilien mit insgesamt 45 großen Tieren und 18 Babies – wir trauten unseren Augen nicht. Wir wussten gar nicht mehr, in welche Richtung wir schauen sollten, denn rechts, links und hinter dem Boot waren lauter Grindwale – es schien ein richtiges Familientreffen zu sein. Sie schwammen parallel zum Schiff, drehten sich auf den Rücken, kamen mit ihren Jungtieren heran oder lugten neugierig aus dem Wasser. Was für ein Nachmittag!!
Nachdem wir ca. 20 wunderschöne Minuten mit ihnen verbracht hatten, kündigte Katharina über den Lautsprecher den Abschied von den Walen an. Wir wollten uns gerade auf den Heimweg begeben, als Katharina plötzlich ganz aufgeregt ins Mikrofon rief. Sie hatte in der neben uns schwimmenden Gruppe ein erst 2–3 Tage altes Neugeborenes entdeckt – und tatsächlich: ein ganz kleines hellgraues Jungtier tauchte mit noch relativ unbeholfenen Bewegungen immer wieder ungestüm aus dem Wasser auf, um zu atmen. Es zeigte noch die Geburtsstreifen an der Seite, die erst nach einigen Wochen verschwinden und musste das gleichmäßige Schwimmen erst noch lernen. Man konnte die Rührung, die diese Begegnung bei den Menschen an Bord auslöste, in vielen Gesichtern erkennen.
Leider machte Katharina dann noch eine traurige Entdeckung bei dieser Grindwalgruppe: Ein großes Tier zeigte eine schlimme Verletzung an der Rückenflosse, bei der der hintere Flossenteil rechtwinklig abgeschnitten oder herausgerissen worden war. Katharina glaubte, Buckelchen zu erkennen, der jedoch seit einigen Jahren verschwunden war. Der Anblick löste bei vielen Menschen Betroffenheit aus, denn so etwas hatte wohl noch niemand vorher gesehen. Wir beobachteten das tapfer gleichmässig auf und ab schwimmende Tier noch ein paar Minuten, verabschiedeten uns dann endgültig und fuhren nachdenklich Richtung Hafen. Jeder von uns wünschte dem verletzten Grindwal im Stillen gute Besserung, die er sicher gut brauchen kann. Ein Trost war wenigstens, dass er in einer Gruppe integriert war und vor allem in Freiheit war. Bei der Auswertung der Fotos stellte unser Meeresbiologe dann fest, dass es sich bei dem verletzten Grindwal tatsächlich um den Bekannten handeln musste, dem wir in 2005 den Namen Buckelchen gegeben hatten. Er ist uns nämlich schon damals durch diese Verletzung aufgefallen.
Text: Jörn Selling Fotos: firmm
Die Wunde war in der ersten Zeit seiner Entdeckung im Jahr 2005 nicht ganz vernarbt, und es blieb immer eine rote entzündete Stelle. Auch nach all den Jahren scheint sich das nicht gebessert zu haben, es hat sich eher verschlimmert. Ob die Wunde nochmals aufgerissen wurde oder ob darin eine chronische Entzündung steckt, kann man nicht mit Sicherheit bestimmen. Immerhin lebt der Wal noch, obwohl wir ihn schon für tot gehalten hatten. Das zeigt, dass es noch andere Grindwalpopulationen in nicht allzu großer Entfernung geben muss, mit denen sich „unsere“ Wale vermischen. Genetische Studien haben gezeigt, dass die Grindwale vor Tarifa erbliche Merkmale der Mittelmeer- und Atlantik - Grindwale in sich vereinen, also so etwas wie ein Bindeglied sind. Einige von ihnen pendeln hin und her, aber ob es deren gesamte soziale Untergruppe auch tut, steht noch nicht fest. Wir freuen uns jedenfalls, Buckelchen gesehen zu haben und wünschen ihm gute Besserung.