Forschungsbericht Orcas (Orcinus orca)
Die Orcas sind laut unserer langjährigen Datenaufnahme von April bis November in der Gegend. Sie ernähren sich in der Straße von Gibraltar hauptsächlich von Thunfisch, den sie häufig von den Leinen der hiesigen Fischer klauben. Insbesondere Orca-Kälber können auf diese Art größere Fische erbeuten und überleben das erste Jahr besser als Kälber von Subrudeln, die sich nicht den Fischern nähern.
Vom Aussterben bedrohte Population
Die Population in der Straße von Gibraltar unterscheidet sich genetisch von anderen Orcas im Atlantik und umfasst nur ungefähr 40 Tiere. Sie ist damit vom Aussterben bedroht. Die Orcas profitieren von den 2008 eingeführten Quoten für den Thunfischfang in Europäischen Gewässern – die Fangsaison in der Meerenge beträgt 62 Tage, vom 1. Juli bis 31. August. Der Thunfischbestand (der um 80 Prozent reduziert worden war) hat sich seitdem zahlenmäßig etwas erholt. Als Biomasse fällt die Erholung jedoch geringer aus, wenn überhaupt, denn es handelt sich um relativ kleine Fische. Das könnte allerdings vorteilhaft für die Orcas sein, da kleinere Fische nicht so schnell sind und deshalb einfacher zu jagen.
In den letzten Jahren scheinen die Orcas die Thunfischer immer mehr zu meiden, auch wenn es ab und zu neue Subrudel bei den Fischern gibt. Vermutlich ändern die Schwertwale in der Straße von Gibraltar ihr Verhalten, was an den rabiaten Methoden liegen könnte, mit denen die Fischer die Orcas auf Abstand zu halten versuchen. Auch die seit wenigen Jahren eingeführte Methode, am Haken kämpfende Thunfische mit Stromschlägen bewegungsunfähig zu machen, könnte die Orcas abschrecken, wenn sie etwas abbekommen. Es gibt andererseits auch Berichte, dass die Schwertwale weiter westlich über den Untiefen von Majuán selbstständig Thunfische jagen.
Verbreitungsgebiet und Identifikation
Schwertwale überwintern im Atlantik, von Nordmarokko bis zum Golf von Biskaya, vielleicht sogar bis zu den Shetlandinseln. Bisher war man davon ausgegangen, dass sich ihr Winterquartier auf die Atlantikküsten Spaniens und Portugals beschränkt. Die wahre Größe des Verbreitungsgebiets der Schwertwale wurde ab Juni 2020 deutlich, als eine Gruppe von drei jungen Schwertwalweibchen nach dem Ende des SARS-Cov-2-Pandemie-Lockdowns von Spanien im Seegebiet zwischen Andalusien und Galicien mit Segelbooten zu interagieren begann. Seitdem ist eine Zunahme der Interaktionen zu beobachten, an denen mehr Orcas beteiligt sind als ursprünglich. Über den Grund für dieses seltsame Verhalten kann man nur spekulieren. Eines der Tiere hatte eine Kopfwunde, und auch eine mögliche Harpunenwunde wurde beobachtet. War es Unmut aufgrund von Aggressionen seitens der Fischer oder anderer Boote oder einfach nur ein von den drei jungen Weibchen erfundenes Spiel? Sie interessieren sich vor allem für die Propeller und Ruder von Booten und greifen die Ruder und manchmal auch den Rumpf durch rammen und beißen an. Es bleibt abzuwarten, ob die Orcas dieses Verhalten schließlich aufgeben (in diesem Fall könnte es sich nur um einen vorübergehenden Streich handeln, wie er bei jungen Säugetieren üblich ist), oder ob sie es fortsetzen (in diesem Fall könnte es tiefere Gründe geben).
Mit den Aufnahmen unserer Sichtung unterstützen wir die Erstellung von Katalogen zur Identifikation der einzelnen Tiere (über Augenfleck, Sattelfleck und Finne) von proyectoorcacadiz.com und orcaiberica.org.
Eckdaten aus unseren Jahresberichten
2005
Es gab dieses Jahr kaum Sichtungen von Orcas. Das hängt sicherlich mit dem Beinahe-Zusammenbruch der Thunfischerei vor Tarifa zusammen.
2006
Die Orcas haben sich dieses Jahr oft blicken lassen, obwohl kaum noch Thunfisch vorkommt, der Bestand scheint überfischt zu sein. Stattdessen haben sie sich auf kleinere Fische konzentriert, die sie den Fischern Tarifas von ihren Langleinen klauben.
Es wurde eine Verfolgung von Orcas durch Grindwale gesichtet, Verhalten welches auch von anderen Beobachtern registriert wurde.
Die Orcas haben sich in zwei Gruppen aufgeteilt, ein junges Männchen, welches mittlerweile voll geschlechtsreif ist, hat mit vier Tieren eine neue Schule gebildet. Das älteste Männchen (Camacho) zieht mit 12 Individuen weiterhin durch die Gewässer vor Tarifa. Eine dritte Gruppe von ca. 9-12 Tieren, mit einem ausgewachsenen Männchen mit herunter gebogener Rückenfinne hält sich vorwiegend vor Barbate auf (40 km nördlich von Tarifa). Die Verletzung an der Rückenfinne wurde durch den Schnitt einer Fischerleine verursacht, das Männchen wurde mit einem Weibchen zuerst am 07.04.04 um 14:00 vor Punta Cires von uns gesichtet.
2007
Obwohl von Jahr zu Jahr weniger Thunfisch gefangen wird, haben sich die Orcas dieses Jahr oft blicken lassen. Neben den klassischen Beobachtungszeiten im Juli und August wurden einige Tiere aber auch im Oktober gesichtet. Diese ungewöhnlichen Zeiträume werden in Zukunft verstärkt Anlass zu Nachforschungen geben.
2008
Orcas haben sich dieses Jahr weniger blicken lassen.
Es ist bekannt, dass der Rote Thun unter Schutz gestellt werden müsste, will man sein Verschwinden als „Eiweiß-Ressource“ verhindern.
Dies trifft auch die Orcas, die sich in zwei Gruppen gespalten haben. Die Gruppe mit dem jüngeren Männchen wurde nur an wenigen Tagen gesichtet und verschwand anschließend von der Straße von Gibraltar. Die größere Gruppe mit den seit Jahren wiederkehrenden Individuen, verweilte etwa 2 Monate und verließ dann auch unvermittelt das südliche Gebiet der Straße, wo sie sich bei den marokkanischen Fischern aufgehalten hatte.
2009
- weniger Orca-Sichtungen als im Vorjahr
- Gruppe mit dem jüngeren Männchen wurde überhaupt nicht gesichtet
- größere Gruppe mit den seit Jahren wiederkehrenden Individuen wurde insgesamt nur an 8 Tagen gesichtet
Da die Quote für die Thunfischer stark eingeschränkt wurde, lohnt es für die Orcas nicht mehr, bei ihnen auszuharren.
2010
- 11 Orca-Sichtungen
- kleinste Schule: 2 Tiere
- größte Schule: 13 Tiere (12. Juli)
- das junge Männchen wurde einmal am 13. Juli gesichtet
Da die Thunfischsaison seit 2009 mit der Einführung der Thunfischfangquote nur noch etwa 2 Wochen andauert, lohnt es sich für die Orcas kaum mehr, bei den Fischern auszuharren.
2011
- 38 Orca-Sichtungen
- kleinste Schule: 3 Tiere
- größte Schule: 17 Tiere (04. August)
- größte Gruppen im August
Am 04. Oktober wurden Orcas zum ersten Mal in der Bucht von Gibraltar gesichtet. Es handelte sich um 7 Tiere, zu denen ein uns unbekanntes Männchen gehörte. Es könnte sich um das selten gesichtete junge Tier handeln, dessen Erscheinungsbild sich aufgrund des schnellen Wachsens der Finne geändert haben könnte.
Obwohl die Thunfischsaison seit 2009 mit Einführung der Thunfischfangquote nur noch etwa 2 Wochen andauert, sind die Orcas diese Saison wieder häufiger aufgetreten, da sie auf die Marokkanischen Fischer ausgewichen sind, die sich an die Quoten nicht halten. Letzte Saison schienen sie dieselben Fischer zu meiden.
2012
- 59 Orca-Sichtungen
- kleinste Schule: 3 Tiere
- größte Schule: 14 Tiere (19. September)
- größere Gruppen im August häufiger
Obwohl mit Einführung der Thunfischfangquote die Thunfischsaison seit 2009 nur noch etwa 2 Wochen dauert, sind die Orcas diese Saison öfter als in der letzten aufgetreten. Sie sind wieder auf die Marokkanischen Fischer ausgewichen, die sie 2010 gemieden hatten.
2013
- 56 Orca-Sichtungen
- kleinste Schule: 3 Tiere
- größte Schule: 16 Tiere
- größere Gruppen im Juli häufiger (einen Monat früher als 2012)
- 24. Juli: Gruppe mit 4 Kälbern
2014
- 88 Orca-Sichtungen (windarmer Sommer, viele Fahrten möglich)
- Sichtungszeitraum: 26. Juni bis 7. Oktober
- kleinste Schule: 3 Tiere
- größte Schule: 16 Tiere (davon drei Kälber)
- ein Neugeborenes erstmalig am 8. August gesichtet
- größere Gruppen (mehr als 8 Tiere) im Juli und August häufiger
2015
- 112 Orca-Sichtungen (windarmer Sommer, viele Fahrten möglich)
- Sichtungszeitraum: 1. Mai (einen Monat früher als letzte Saison) bis 27. August (fast 2 Monate früher)
- kleinste Schule: 2 Tiere
- größte Schule: 16 Tiere (davon 2 Kälber)
- keine Neugeborenen
(Das Neugeborene von letztem Jahr ist vermutlich in einem Fischernetz umgekommen, bei dem Unfall verlor seine Mutter die rechte Brustflosse.) - größere Gruppen (mehr als 8 Tiere) im Juli und August häufiger
2016
- 96 Orca-Sichtungen (windarmer Sommer, viele Fahrten möglich)
- Sichtungszeitraum: 1. Juli bis 21. August
- kleinste Schule: 2 Tiere
- größte Schule: 20 Tiere (davon 3 Kälber)
- keine Neugeborenen
- größere Gruppen (mehr als 8 Tiere) im Juli und vor allem im August häufiger
Ausnahme war eine Sichtung von 12 Schwertwalen am 6. April. So früh wurden die Orcas bis dahin nur einmal am 7. April 2004 gesichtet. - ein Gesetzentwurf zum Schutz der Orcas wurde uns vom Ministerio de Agricultura, Alimentación y Medio Ambiente zugesendet.
- auch im Januar 2016 wurden Orcas von den Fischern gesichtet (sonst verbringen sie den Winter im Atlantik vor der Küste Südspaniens und Portugals)
2017
- 53 Orca-Sichtungen
- Sichtungszeitraum: 30. Juni bis 19. September
- kleinste Schule: 3 Tiere
- größte Schule: 14 Tiere (davon 4 Kälber)
- ein Neugeborenes der Orca-Kuh Lucía (diese hatte zwischen 2015 und 2016 ihr vorheriges Kalb und eine ihrer Brustflossen verloren, vermutlich bei einem Unfall mit Fischereigerät)
- größere Gruppen (mehr als 8 Tiere) im Juli häufiger als im August (darunter drei ausgewachsene Männchen einschließlich Camorro, wahrscheinlich der Vater des Neugeborenen)
- Sichtungswahrscheinlichkeit steigt und fällt mit der Starkwind-Häufigkeit, die wiederum die Anzahl der durchgeführten Ausfahrten bestimmt
- Gesetz zum Schutz der Orcas ist inzwischen in Kraft getreten
2018
- Sichtungszeitraum: 28. Juni bis 17. Oktober
- 18 Orca-Sichtungen an nur 9 Tagen
- kleinste Schule: 2 Tiere (30. Juni)
- größte Schule: 15 (davon 5 Kälber) (3. und 12. Juli und 17. Oktober)
- ein Neugeborenes in Begleitung von 6-15 erwachsenen Schwertwalen
- erste Sichtung: 28. Juni
- weitere Sichtungen: 12 Juli sowie 11. und 17. Oktober - größere Gruppen von 13-15 Tieren im Oktober
darunter drei ausgewachsene Männchen; einer davon ist der uns bekannteste Camorro
Die Saison für Thunfischer lief vom 28. Juni bis Ende August, insgesamt 65 Tage – in dieser Zeit konnten wir aber nur an 7 Tagen Orcas finden. Das Meiden der Fischer könnte damit zusammenhängen, dass diese die Orcas widerrechtlich mit allen Mitteln versuchen zu vertreiben. Von anderen Forschern wurde zudem beobachtet, dass die Orcas weiter westlich über den Untiefen von Majuán genug Thunfisch finden, um selbstständig jagen zu können. (Im Gebiet Banco Majuán ist Whale-Watching allerdings verboten.)
2019
- Sichtungszeitraum: 17. Juni bis 13. August (50 Tage Orca-Touren)
aber an nur 7 Tagen angetroffen, mit 21 Sichtungen - größte Schulen:
18 Tiere inkl. 8 Kälber (3. Juli)
17 Tiere inkl. 7 Kälber, davon 1 Neugeborenes (10. August)
19 Tiere inkl. 4 Kälber, davon 2 Neugeborene (12. August)
Auch diese Saison wollten die Orcas anscheinend nicht vom Thunfischfang profitieren. Warum sie die Fischer schon 2 Jahre meiden, könnte an der Gewalttätigkeit derselben liegen, die die Orcas mit allen Mitteln versuchen zu vertreiben, laut einigen unserer Seeleute seit dieser Saison unter anderem mit den Geräten die dafür genutzt werden, die Thunfische mit Stromschlägen zu betäuben.
Und/oder die Schwertwale fanden wieder, wie von anderen Forschern letzte Saison berichtet, weiter westlich über den Untiefen von Majuán genug Thunfische um sie selbständig jagen zu können. Ihr Verhalten in der Straße von Gibraltar scheint sich zu wandeln.
2020
- Sichtungszeitraum: 02. bis 23. August
- an 5 Tagen angetroffen, mit 21 Sichtungen
- größte Schulen:
14 Tiere inkl. 2 Kälber (3. August)
17 Tiere inkl. 4 Kälber (21. August) - kleinste Schule: 9 Tiere
- keine Neugeborenen
- unter den Orcas waren wie letztes Jahr drei ausgewachsene Männchen, darunter das uns bekannteste: Camorro.
Die Saison beschränkte sich Corona-bedingt auf die Zeit vom 1.7.-7.9.2020. Davon konnten an 26 Tagen (38 %) wetterbedingt keine Ausfahrten stattfinden.
Während der Corona-Zeit wurde den Fischern anscheinend wegen Ansteckungsgefahr von der Regierung verboten, in der Mitte der Straße von Gibraltar zusammen mit den spanischen Fischern Thun zu fangen. Deshalb waren die Marokkaner nur über dem südlichen Fanggrund anzutreffen. Das reduzierte die Möglichkeit Orcas zu finden beträchtlich. Eine ausreichende Wahrscheinlichkeit, die Schwertwale überhaupt anzutreffen, bestand demnach an 32 von 62 Tagen der Thunfischfang-Saison, von denen (wie oben erwähnt) nur 5 Tage von Erfolg gekrönt waren.
2021
- Sichtungszeitraum: 07. Juli bis 29. August
- an 17 Tagen angetroffen, mit 28 Sichtungen
- größte Schulen:
15 Tiere (24. Juli)
17 Tiere (30. Juli) - kleinste Schule: 3 Tiere
- ein Neugeborenes, 5 Kälber
- unter den Orcas waren zwei ausgewachsene Männchen –Camorro und Morales – sowie ein junges Männchen.
Während der 62 Tage Thunfischfang-Saison, an denen die Orcas am wahrscheinlichsten anzutreffen sind, konnten wir an 47 Tage fahren (2020 an 39 Tagen), von denen 6 auf einen Freitag fielen. An diesem Wochentag arbeiten die marokkanischen Thun-Fischer nicht, deshalb werden seltener Schwertwale gefunden. Trotzdem sahen wir sie an einem Freitag im Juli und an drei weiteren im August. Der schwache Wind und die Rückkehr der marokkanischen Fischer haben dazu beigetragen, die Orcas öfters zu sichten als 2020.
2022
- Sichtungszeitraum: 25. Juli bis 22. August
- an 8 Tagen angetroffen, mit 17 Sichtungen
- immer Mitglieder desselben Subrudels von 9 Tieren bei den Fischern
zwischen 3 und 9 Tiere pro Sichtung - keine Neugeborenen
- ein junges Männchen, drei Kälber (eins davon sehr jung), fünf Weibchen
- keine uns bekannten erwachsenen Männchen dabei – es scheint sich um ein neues Subrudel zu handeln
Während der 62 Tage Tunfischfang-Saison, an denen die Orcas am wahrscheinlichsten anzutreffen sind, konnten wir an 38 Tagen fahren. Fünf dieser Tage waren Freitage, an denen die marokkanischen Thun-Fischer nicht arbeiten und somit seltener Schwertwale gesichtet werden. In dieser Saison konnten wir freitags keine Orcas finden.
Die vollständigen Jahresberichte der Stiftung firmm finden Sie auf firmm.education.