Familientreffen mit Schwergewichten

von firmm Team

Text: Pia Ackermann und Andrea Stampfli; Fotos: Thomas Brückmann, Benjamin Dieckmann, Monika Wittwer und Eduardo Montano Peralta

Jedes Jahr im Februar schart sie sie alle um sich, die alten und die neuen Freunde der Stiftung firmm. Katharina Heyer ruft und sie kommen. Die einen, um Katharina wieder zu sehen, mit anzupacken und mit ihrem Beitrag an den reibungslosen Ablauf ihre Loyalität für eine gute Sache zu zeigen. Die anderen, weil ihre letzte Begegnung mit den Walen und Delfinen in Freiheit schon länger zurückliegt und sie so in Verbindung bleiben. Und eine dritte Gruppe will ihre Erinnerungen an den Urlaub 2013 wieder aufleben lassen und das Geschehen bei firmm weiter verfolgen. Alle haben sie ein gemeinsames Interesse: die Wale und Delfine in der Straße von Gibraltar.

Empfang  Foyer 

Vorbereitungen Festlicher Saal Eingang Bühne 

Der Abend verläuft in vertrauten Bahnen, es ist ja auch bereits das 16. firmm-Treffen. Darin liegt zumindest ein Teil des Erfolgsgeheimnisses – wie sonst könnte es beim latenten Überangebot an Unterhaltungsmöglichkeiten gelingen, auch in diesem Jahr wiederum rund 350 Personen nach Aarau zu locken?
Katharina berichtet über die wichtigsten Ereignisse der letzten Saison in Tarifa und zeigt die neuesten Fotos und Filme über die Begegnungen mit den Tieren in ihrem bedrängten Lebensraum. Frau Prof. Dr. Patricia Holm stellt heuer die Schwertwale vor und Prof. Dr. Jürgen Holm weiß das Publikum trotz scheinbar trockener Materie mit interessanten Auswertungen der firmm-Datenbank zu faszinieren.

Begrüßung von Katharina Samuel Notz trägt einen Ueberblick vor 

Ungebremste Touristenströme, Abschied von Curro und ein Jahrhunderterlebnis

Trotz Erkältung führt Katharina souverän durch den Abend. Sie erzählt von der Arbeit im krisengeplagten Spanien, vom großen Medienecho während der letzten Saison, dass nur 500 Touristen weniger als im Vorjahr mit firmm hinausgefahren sind, und dass Sea Shepherd in der zweiten Juni-Hälfte 2014 eine Aktion in Tarifa plant.

Insgesamt wurden in der Saison 2013 bei vergleichbarer Anzahl Fahrten weniger Tiere gesichtet, vor allem weniger Grindwale. Das sind die genauen Zahlen aller Sichtungen der Saison 2013:

Rückblick von Katharina Sichtungen 

Google macht es möglich: Martin König hat einen virtuellen Rundgang durch alle drei firmm-Lokale in Tarifa eingerichtet, der mit dem Gang aufs Boot endet. Sofort fühlt man die Sonne auf der Haut, riecht das Meer und hört die Kommandos wenn die „Spirit“ ablegt. Das vermittelt wenigstens das Gefühl mit von der Partie zu sein.

Virtueller Rundgang mit Daniel König Stadt Office von Außen Stadt Office von innen Rundgang im Hafenoffice 

Über die zwei Bergungsaktionen von verletzten Schildkröten berichteten die firmm-News ausführlich – „Dolores“, von Eduardo mit viel Einsatz gerettet, hat überlebt. Auch über Curro und wie es ihm seit seiner Verletzung durch eine Schiffsschraube im Jahr 2008 ergangen ist, war auf der Webseite viel zu lesen. Leider ist er seit längerem verschwunden und es ist anzunehmen, dass sein Kampf ein Ende gefunden hat. Ein besonderes Spektakel bot sich den Gästen im April, als drei Pottwale bei der Paarung über eine Stunde lang beobachtet werden konnte (mehr dazu im Blog von Alicia Lipsky).

„15 Jahre Wale zählen und Daten sammeln – ist das notwendig?“

Ein Statistiker beantwortet diese Frage spontan mit „Ja!“, müsste man annehmen. Doch Jürgen Holm erläutert dem interessierten Publikum, wie eine fundierte Datensammlung zur Beantwortung von Fragen oder Theorien herangezogen werden kann, die sich aus aktuellen Entwicklungen ergeben. Am Anfang steht immer eine Hypothese; im vorgestellten Beispiel ist es die Vermutung von firmm-Biologe Jörn Selling, dass die vier neuen Häfen an der Marokkanischen Küste den Aufenthaltsort der residenten Grindwale beeinflussen. Aber wie?

Forschungsvortrag Neue marokkanische Häfen Professor Jürgen Holm 

Jürgen Holms Vortrag   

Aus dem umfangreichen Datenmaterial welches firmm in den vergangenen 15 Jahren gesammelt hat, wählt Jürgen die relevanten Daten aus, die eine Aussage zum Aufenthaltsort der Grindwale seit 2007 (Inbetriebnahme der 4 neuen Häfen) erlauben. Es zeigt sich, dass die Grindwale grundsätzlich im Gebiet geblieben sind, Gruppen mit Jungen jedoch tendenziell in Richtung Westen ausweichen. Das mag bedeuten, dass sie lieber den Stress in Kauf nehmen, auf die Orcas zu treffen, als die Jungtiere den Gefahren in Hafennähe auszusetzen. Allerdings ist die Aussage zu den Revieren der Grindwale zu relativieren: Abgesehen davon, dass die Sichtungspositionen nicht zwingend mit dem Verbreitungsgebiet übereinstimmen, startet firmm seit 2011 mit der Suche nach Meeressäugern generell weiter westlich (Auflage Tanger Traffic). Auch die Strömung mag eine Rolle spielen, genau so wie das zeitliche Zusammentreffen mit den Orca-Sichtungen. Zusammenfassend hält Jürgen fest: Die strukturierten Beobachtungen in der firmm-Datenbank sind ein Schatz, der zahlreiche Fragestellungen und Auswertungen, insbesondere zu Biologie und Verhalten über die Zeitachse, zulässt. Für eine eindeutige Aussage zum Einfluss der neuen Häfen auf die Reviere der Grindwale ist es jedoch noch zu früh.

Jürgen Holm Jürgen und Sam 

Orcas in der Straße von Gibraltar

Zu Beginn ihres Referats über die Orcas in der Straße von Gibraltar liefert Frau Prof. Dr. Patricia Holm ein paar allgemeine Informationen über die Schwertwale. Ihr einziger Feind ist der Mensch, ihr Status gilt nach internationaler Einstufung als „bedroht“. Über ihre Kultur ist relativ viel Forschungsmaterial verfügbar, z.B. über ihr Jagdverhalten oder ihre Kommunikation. Orcas kommunizieren in ihren Gruppen (5-70 Tiere) in unterschiedlichen Dialekten. Weil Orcas die meiste Zeit mit Nahrungssuche verbringen, wirken sich Störungen mittel- und langfristig verheerend aus. Noch wenig lässt sich über die Einteilung in verschiedene Ökotypen sagen. Bekannt ist, dass sich die einzelnen Populationen untereinander nicht mischen.

Prof. Patricia Holm  Orcas in der Straße von Gibraltar  ]

In der Straße von Gibraltar kennt man drei Gruppen, davon sind 32 Tiere über ihre Foto-ID eindeutig identifizierbar. Wo sie sich übers Jahr aufhalten, ist unbekannt. Aber im Sommer tauchen sie im Atlantik vor Tarifa auf, um Jagd auf den roten Thunfisch zu machen. Dabei schnappen sie sich oft die Thunfische vom Haken der Fischer. Der erbeutete Anteil ist jedoch, wie Erhebungen zeigen, unbedeutend. Für die betroffenen Fischer aus Marokko mag jeder Verlust schwer wiegen. Aber führt man sich vor Augen, dass 85% des gesamten Thunfischfangs im Mittelmeer auf japanischen Tellern landen, erübrigen sich alle Erhebungen.

Straße von Gibraltar Ueber den Roten Thunfisch und seine Wanderungen Fragen an Patricia Holm 

In der Pause bewirtete uns die Truppe aus dem Gärtnerhaus mit warmen Tortellinis in einer feinen Pilzsauce. Die kalten Fleisch- und Käseteller hatten die vielen Freiwilligen unter der Regie von Caroline Burger zubereitet.

    

  Saalpanorama 

Nach der Pause

Nachdem sich alle nach Herzenslust mit einem feinen Abendessen oder auch nur mit Kaffee und Kuchen stärken konnten, fährt Katharina nach der Pause mit den Verdankungen fort. Ihr Dank gilt allen Menschen die firmm tatkräftig unterstützt haben - sei dies im Hintergrund (Stiftungsrat / Forschung / Treuhandaufgaben / Website, etc.) oder auch direkt an der Front (Angestellte vor Ort, Bootscrew, Volontäre).

Prof. Patricia Holm Benny Stutz Samuel Notz Statistikexperte Jürgen Holm 

Außerdem erwähnt Katharina, dass die Homepage 296'890 mal angeklickt wurde und speziell zu beachten ist, dass hier die Spanier mit 18,38 % nun an zweiter Stelle sind und ihre Klicks sich mehr als verdoppelt haben. Dieses neu stark gesteigerte Interesse kann sich Katharina nicht erklären, nimmt es aber sehr erfreut zur Kenntnis. Immer noch klar am häufigsten wird die Homepage aus Deutschland angeklickt. Aus der Schweiz wird die Homepage mit 15,58 % am dritthäufigsten angeklickt.
Katharina hebt außerdem sichtlich stolz hervor, dass die firmm-Boote die saubersten und besten gepflegten Boote im Hafen sind.

Marokko Projekt Bucht von Tanger Projekt in der Bucht 

Informationen zum Marokko-Projekt.

Ein weiteres Mal haben sich grundlegende Änderungen ergeben. Neu wird das Sanctuary in der gleichen Bucht, wo sich auch der alte Hafen befindet geplant. Der alte Hafen wird nun saniert und aufgewertet. Vis à vis in dieser Bucht soll das neue Sanctuary entstehen. Auch hier bestehen schon Dämme ins Meer hinaus, welche einen ersten Schutz für verletzte Tiere bieten. Außerdem hat der Gouverneur den Bau eines weiteren Dammes zum Schutz der Delfine und unseres Bootes vorgeschlagen.

Neu wird das Projekt Dolphin Sanctuary umgetauft werden. Hauptgrund hierfür ist, dass Marokko keinen Delfinimport, d.h. keine Großen Tümmler aus dem Ausland mehr bewilligen will. Begründet wird dies mit der Angst vor Seuchen. Katharina hat diese Nachricht natürlich erstmals schockiert. Wie soll das Projekt weitergeführt werden, wenn keine Delfine aus den Aquarien mehr gerettet werden können?

Trotzdem hat sich Katharina ein weiteres Mal dazu entschlossen, sich erstmals anzuhören wohin sich die marokkanischen Vorstellungen bewegen und herauszufinden, wie definitiv das Importverbot wirklich ist. Hierzu erklärt sie zuerst einmal die Hintergründe. Angefangen mit ACCOBAMS, welches ein multilaterales Umweltabkommen ist das in Monaco unterzeichnet wurde und am 1. Juni 2001 in Kraft getreten ist. Dabei handelt es sich um ein von Monaco initiiertes Abkommen zum Schutz der Wale des Schwarzen Meers, des Mittelmeers und der angrenzenden Atlantischen Gebiete.

Nun hat vom 5.- 8. November 2013 die 5. Konferenz aller Vertragsparteien in Tanger stattgefunden. Anwesend waren 70 Teilnehmer aus 18 Ländern (Regierungsorganisationen, ACCOBAMS Partner und andere wissenschaftliche Organisationen und Institutionen). Dabei ernannte die Konferenz Marokko als Präsidiumsmitglied für die nächsten 3 Jahre. Auch die ACCOBAMS ist kritisch gegenüber Tierimporten eingestellt. Nun steht neu die Leiterin des INRH (Amt welches zuständig ist für alles was mit Wasser zu tun hat) auch der ACCOBAMS als Sekretärin vor. Damit wird wohl nicht am Delfinimportverbot zu rütteln sein. Die INRH ist aber ansonsten seit Jahren sehr ambitioniert und hat viele neue Labore eingerichtet mit dem Ziel stetig Wasserproben und auch Tierproben analysieren zu können und somit die Wasserqualität zu prüfen und Seuchen zu verhindern. Der König ist persönlich zur Eröffnung des neuen INRH-Sitzes nach Tanger gekommen.

Neuer Sitz vom INRH Tanger Projekt 

Der zuständige Direktor sucht nun einen Partner um ein Museum zur „Vielfältigkeit der Ozeane, ihre Meeresbewohner und den vorherrschenden Gefahren und Bedrohungen“ einzurichten. Finanziell würde nicht viel beigesteuert, jedoch ist ein riesiger Fundus an Skeletten und Ausstellungsobjekten vorhanden. Das Museumsprojekt hat für die Marokkaner 1. Priorität. firmm könnte dort dann auch ein Rescue-Center für gestrandete Tiere einrichten. Ausserdem wünschen die Marokkaner, dass dort durch firmm ein Whale Watching in genau gleichem Umfang wie in Tarifa angeboten wird. Anscheinend hat die zuständige Biologin firmm einen ganzen Tag auf dem Meer beobachtet und sich auch die Charlas betreffend einen persönlichen Eindruck verschafft.

Sie betont dabei, dass sie genau so ein respektvolles Whale Watching mit entsprechenden Vorinformationen anbieten will und daher für sie nur firmm in Frage kommt. Katharina will auf keinen Fall wieder ein Whale Watching anbieten und damit anderen respektloseren Anbietern die Türen für ein eigenes Geschäften öffnen. Die Tiere würden dann nur noch mehr gestört. Der Chef der INRH will aber ausschließlich firmm eine Lizenz für Whale Watching erteilen. Katharina, Hanea und Rachid arbeiten nun einen Kooperationsvertrag aus, in dem diese Bedingungen alle festgehalten werden. Dieser Vertrag hat im März höchste Priorität.

Das neue Sanctuary wird somit in folgendem Umfang möglich sein:
- Museum
- Rescue-Center für gestrandete Tiere
- Whale Watching mit Information der Besucher

Rachid Chrigui und Hanae Bekkari 

Katharina versichert allen Spendern, dass das bereits gespendete Geld immer noch vollumfänglich vorhanden ist und dann für das Rescue-Center verwendet werden wird.

Pottwalpaarung

Nun zeigt Katharina uns einen kurzen Film über eine Pottwalpaarung, welche sie auf einer Ausfahrt filmen konnte. Das Ereignis dauerte über 1 Stunde. Es waren 3 Pottwale anwesend und um die 80 Grindwale und 50 große Tümmler ließen sich das Spektakel (genauso wie die Menschen auf dem Boot) nicht entgehen. Eine Begegnung die wirklich unter die Haut ging und einmalige Eindrücke hinterließ.

Weitere Geschehnisse

Meret Kübler hat eine Maturarbeit und Carmen Dunst eine Vertiefungsarbeit / Dekoration über die Wale und Delfine in der Straße von Gibraltar geschrieben.

An 5 Schweizer Messen haben über 40 Freiwillige über die Bootsfahrten und die Wale und Delfine in der Straße von Gibraltar informiert.

Doris und Kurt Farner werden wiederum die Organisation des SUISSE Caravan Salon übernehmen, welcher vom 23. bis 27. Oktober 2014 in Bern stattfindet. Es werden noch freiwillige Standhilfen gesucht. Bitte melden unter farnerdo@gmail.com

Patenschaften können nun für 17 Grindwale, 5 Delfine und 2 Orcas übernommen werden.

Des Weiteren bedankt sich Katharina bei mehreren Personen, Firmen und Medien welche firmm durch Arbeitsleistung, Sachleistungen oder Publikationen unterstützt haben.

Zum Schluss weist Katharina noch auf das nächste firmm-Treffen hin, welches am 21. Februar 2015 stattfindet.

Nächstes firmm Treffen 

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